Bibliotheksgut
„Zu den weitgehend vergessenen Daten deutscher Zeitgeschichte gehört die Deportation fast aller Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland am 22. Oktober 1940“, schreibt Peter Steinbach über die ersten Massendeportationen von Juden auf deutschem Boden. Etwa 7.300 Menschen jeden Alters wurden an diesem Tag in konzertierten Aktionen verhaftet und mit Zügen über die französische Grenze bis ins südfranzösische Lager Gurs gebracht. Ihr in der Heimat zurückgelassener Besitz wurde „verwertet“. Zum ersten Mal konnten die nationalsozialistischen Machthaber die Reaktionen der Bevölkerung auf ein solches Vorgehen und Maßnahmen der massenhaften Enteignung und Verwertung jüdischen Besitzes „testen“.
Im Sommer 1941 erhielt die Pfälzische Landesbibliothek Speyer ein ca. 1.000 Bücher umfassendes „Geschenk“ von der Stadt Speyer. Die in knapp einem Zehntel davon enthaltenen Autogramme, Stempel und Widmungen rufen uns einen kleinen Teil der damals Deportierten, der Toten und Überlebenden, wieder ins Gedächtnis. Die jüdische Gemeinde Speyers, die im Laufe des frühen 20. Jahrhunderts immer weiter geschrumpft war, umfasste Ende der 1930er Jahre nur noch etwa 50 bis 60 Personen. Der noch erhaltene Buchbesitz dokumentiert heute einen weitgehend bürgerlichen Literaturgeschmack aus Klassikerausgaben, Romanen, Kochbüchern oder Reiseführern. Widmungen in Büchern für Freunde und Familienangehörige anlässlich von Geburtstagen oder Barmizwa-Feiern zeigen darüber hinaus auch den literarischen Geschmack junger Menschen.
Von den ursprünglich etwa 1.000 Büchern sind heute nur noch rund 650 in der Pfälzischen Landesbibliothek Speyer vorhanden. Die übrigen wurden unter noch ungeklärten Umständen in späteren Jahren ausgeschieden. Ein Teil der Provenienzspuren – einige Namen, unbestimmte, aber wiederkehrende Nummern – sind noch ungeklärt. Auffällig ist, dass nur Buchbesitz aus Speyer in die Pfälzische Landesbibliothek gelangte – die in der Nähe befindlichen Städte mit jüdischer Bevölkerung wie Schifferstadt, Ludwigshafen oder Frankenthal sind nicht vertreten. Unklar ist auch, ob alle aus den jüdischen Wohnungen enteigneten Bücher den Weg in die Landesbibliothek fanden oder ob eine Auswahl stattfand.
Für die Bücher mit identifizierbaren Vorbesitzern bemüht sich die Pfälzische Landesbibliothek um eine Restitution.
Pfälzische Landesbibliothek
Otto-Mayer-Str. 9
67346 Speyer
Deutschland