Friedlaender-Fuld, Milly Antonie von
Über die Person
Milly Antonie von Friedlaender-Fuld wurde 1866 als Tochter des Bankiers Elias Jacob Fuld und seiner Frau Lina in den Niederlanden geboren. Ihr Vater, ein gebürtiger Frankfurter, betrieb gemeinsam mit Carl Becker die Amsterdamer Bank Becker & Fuld, die eine enge Verbindung zur Rothschild-Bank in Frankfurt pflegte.
1891 heiratete Milly Antonie Fuld Friedrich (Fritz) Victor Friedlaender (30.08.1858 Gleiwitz - 16.07.1917 Gut Lanke bei Bernau), dessen Vater die gleichnamige Kohlengroßhandlung Emanuel Friedlaender et Comp. gegründet hatte. Fritz Friedlaenders unternehmerisches Gespür brachte der Firma weiteren Erfolg. Er erschloss mit der Gründung der Oberschlesischen Kokswerke und Chemische Fabriken AG, die Produktion von Kohlederivaten, wie Koks, Ammoniak und Benzol. 1914 war er Aufsichtsratsvorsitzender der Braunkohlen- und Brikett-Industrie AG, der Russischen Montanindustrie AG und der Rybniker Steinkohlen-Gewerkschaft, dem Zusammenschluss der firmeneigenen Kohle¬gruben in Schlesien, daneben war er Aufsichtsratsmitglied der AEG, der Deutschen Bank, der Deutschen Lloyd Transport-Versicherungs AG und vielen anderen mehr. Die Familie galt nach einer Aufstellung von 1913 als eine der wohlhabendsten Familien in Deutschland.
1895 erwarb die Familie Grundstücke am Pariser Platz, auf denen nach den Plänen des Hof-architekten Ernst von Ihne ein Stadtpalais (Pariser Platz 5a-6), das "Palais Friedlaender", errichtet wurde. Als Sommersitz der Familie wurde ab 1894 das Schloss Lanke bei Bernau genutzt.
1906 wurde Friedrich Friedlaender geadelt und nannte sich nach der Familie seiner Frau von nun an „von Friedlaender-Fuld“. Das Ehepaar hatte eine Tochter, Marie-Anne von Friedlaender-Fuld, später verheiratete von Goldschmidt-Rothschild (17.01.1892 Berlin - 30.11.1973 Paris).
Das Stadthaus am Pariser Platz war standesgemäß eingerichtet und barg eine sich ständig ver-größernde Kunstsammlung, zu der später auch die Sammlung der Tochter gehören sollte, die Gemälde von van Gogh, Picasso, Gauguin, aber auch von französischen Impressionisten, wie Manet und Monet, sammelte. Fritz von Friedlaender-Fuld war bekannt für seine Sammlung von Gold- und Silberobjekten, wie seltene Dosen, Nécessaires, Flakons und Uhren, die er in Teilen 1906 in Berlin ausstellen ließ.
Nach dem Tode ihres Mannes im Jahr 1917 verlegte Milly Antonie von Friedlaender-Fuld ihren Lebensmittelpunkt zunächst in die Niederlande und nach Frankreich. Das Palais und sein Inventar blieben jedoch im Besitz der Familie und wurden sowohl von Milly Antonie von Friedlaender-Fuld, die noch im Juni 1938 dort residierte, sowie von Marie-Anne von Goldschmidt-Rothschild und ihrer Familie genutzt.
Drei Jahre nach der Machtergreifung Hitlers wurden die ersten Objekte der Sammlung, welche aus dem Besitz von Milly Antonie von Friedlaender-Fuld stammten, in Frankfurt am Main beim Auktionshaus Hugo Helbing versteigert. Weitere Objekte folgten. Die Berliner Kunsthändler Hans W. Lange und Ferdinand Knapp sollen bisher nicht identifizierbare und "nicht unbeträchtliche Teile bei einer Versteigerung des Gutes" erworben haben, wobei undeutlich bleibt, ob damit eine Auktion oder gar Beschlagnahme im Berliner Palais gemeint ist.
1938 zog Marie-Anne von Goldschmidt-Rothschild endgültig aus und die Ausräumarbeiten im Palais begannen. In der Zeit vor Oktober 1938 emigrierte sie. Die ihr und ihrer Mutter gehörigen Grundstücke am Pariser Platz wurden nach Androhung einer Enteignung im August resp. September 1939 an den Generaldirektor für das deutsche Straßenwesen Albert Speer für das Deutsche Reich zwangsverkauft.
Am 15.08.1939 verließen zehn Möbelwagen der Spedition Berthold Jakoby mit Inventar und Kunst-objekten der Sammlung von Milly Antonie von Friedlaender-Fuld Berlin in Richtung Amsterdam, wo das Umzugsgut bei der Firma De Gruyter & Co. eingelagert wurde.
Zuvor hatte der Sachverständige Dr. Ludwig Schmidt-Bangel im Auftrag der Devisenstelle Berlin eine Schätzung der „Gegenstände mit besonderen Kunst- oder kunstgewerblichen Wert“ vorgenommen, die auf 17 Seiten ca. 295 Posten (teilweise in Konvoluten) aufführte und einen Gesamtschätzwert von 487.820,- RM angab. Die von Schmidt-Bangel bewertete Sammlung enthielt neben anderem eine Reihe französischer und englischer Meister, wie Hyancinthe Rigaud, Jean Louis Tocqué, Jean Marc Nattier und Joshua Reynolds, mehr als hundert englische und französische Farbstiche des 19. Jahrhunderts, Silber sowie italienische und französische Bronzen des 17. und 18. Jahrhunderts, wertvolle Paravents und Textilien, chinesisches, österreichisches und deutsches Porzellan des 17. und 18.Jahrhunderts und französische Möbel hauptsächlich des 18. Jahrhunderts. Ein prominentes Objekt der Sammlung war das bis heute verschollene Gemälde von Jean-Baptiste François Joseph Pater "Die Witwe von Ephesus".
Nach der Besetzung der Niederlande durch die Deutschen floh Milly Antonie von Friedlaender-Fuld nach Frankreich. Sie starb 1943 in Cannes. Ihrer Tochter, die ebenfalls in Frankreich vorläufiges Exil gefunden hatte, gelang 1940 über viele Umwege die Emigration über Mexiko in die USA.
Im Mai 1941 beschlagnahmte die Sammelverwaltung feindlicher Hausgeräte (SfH) das Amsterdamer Lagergut als „feindliches Vermögen“. Am 11.-12.06.1941 wurden durch das Auktionshaus Van Marle & Bignell in Den Haag die ersten Objekte versteigert. Als Einlieferer ist bei dieser und anderen Auktionen entweder die Sammelverwaltung feindlicher Hausgeräte (SfH) oder „Heim in Holland“ angegeben, eine Unterabteilung der ersteren.
Es folgten mindestens fünfzehn weitere Auktionen (18.-20.06.1941, 01.07.1941, 15.07.1941, 16.-17.07.1941, 22.-23.07.1941, 20.-25.10.1941, 04.-05.11.1941, 18.-19.11.1941, 16.-17.12.1941, 22.-23.12.1941, 27.01.1942, 10.-11.02.1942, 24.-26.02.1942, 28.-30.04.1942, 16.06.1942) auf denen Objekte aus dem Besitz von Milly Antonie von Friedlaender-Fuld angeboten wurden. Das größte Konvolut an Objekten wurde vom 20. bis 25. Oktober 1941 unter Nennung des vollen Sammlungsnamens durch das Auktionshaus Van Marle & Bignell in Den Haag versteigert. Teilerlöse aus den Auktionen wurden unter Abschlägen für die beteiligten Institutionen an die Deutsche Revisions- und Treuhand AG (DRT) überwiesen. Auch wenn wir davon ausgehen, dass höchst¬wahrscheinlich alle Objekte dieser Auktion zur Sammlung Milly Antonie von Friedlaender-Fuld gehörten, sind hier zunächst nur diejenigen Objekte aufgenommen, von denen Quellen mit einem Besitznachweis außerhalb des Katalogs bekannt sind.
Nachdem dem Krieg wurden ca. 70 Objekte von niederländischen Kunsthandelsfirmen - u.a. von J. S. Fetter, K. W. Bachstitz, Esher Surrey C.V. (früher Marle & Bignell), Etienne Delaunoy N.V., C.V. Steltman - und dem Niederländischen Staat, die bei den Haager Auktionen 1941 und 1942 als Käufer auftraten, an die Familie restituiert. Seit 1998 konnte ein Porträt von Hyacinthe Rigaud (NK 1840, heute J.F. Voet zugeschrieben) restituiert werden.
Ausgewählte Quellen
• Anne-Carolin Augustin: Berliner Kunstmatronage. Sammlerinnen und Förderinnen bildender Kunst um 1900. Göttingen 2018. (Milly von Friedlaender-Fuld) S.124-131; (von Goldschmidt-Rothschild) S.259- 271.
• Dolores L. Augustine: The Business Elites of Hamburg and Berlin. In: Central European History. 24(1991)2-3, S.132-146, hier S.134, 140-141, 143f.
• D - BA, B 323/368, Einzelfälle Frankfurt - Fulda, 1946 - 1964, Friedländer-Fuld, Blatt 213.
• D - BA, B 323/574, "Verzeichnis der der Treuhandverwaltung bekannt gewordenen Restitutionen von 1945 bis 1962", Bd. 1, 1962, Friedländer-Fuld, Amsterdam, Blatt 88.
• D - BA, B 323/673, list of objects sold to Lange from dutch owner Friedländer-Fuld. Blatt 109-114.
• D - BA, R 87/8841, Nachlass von Friedländer-Fuld, Fritz; Erbin: Goldschmidt-Rothschild, Baronin von, geb. von Friedländer-Fuld, Marie-Anne, Paris, 1945 - 1948
• D - BADV, Finanzamt Moabit-West, 906 II 59, Friedlaender-Fuld, Milly von
• D - BADV, Finanzamt Moabit-West, 907 II 380, Goldschmidt-Rothschild, Marie-Anne von
• D - BADV, Reichs-Vermögensteuerakte, 109/1252, Goldschmidt-Rothschild, Marie Anne von
• D - BADV, 21 WGA 289/51, Goldschmidt-Rothschild, Marie Anne von, 5 Waggons Kunstgegenstände
• D - BADV, 21 WGA 290/51, Goldschmidt-Rothschild, Marie Anne von, Verlust von Einrichtungsgegenständen.
• D - BADV, 2 WGA 6863/59, Goldschmidt-Rothschild, Marie Anne von, Umzugsgut
• D - BADV, 2 WGA 10230/59, Goldschmidt-Rothschild, Marie Anne von, Kaufpreisforderung Pariser Platz
• D - LAB, B Rep. 025-02, Nr. 934/55. Marie-Anne Baronin von Goldschmidt-Rothschild, geb. von Friedlaender-Fuld (*17.01.1892), 31 Rue de la Faisanderie, Paris 16 gegen das Deutsche Reich. Milly von Friedlaender-Fuld, geb. Fuld (Mutter), verwitwet. Einrichtungsgegenstände aus dem schlossähnlichen Haus Pariser Platz 5a-6, Berlin.
• D - LAB, B Rep. 025-02, Nr. 1044/51. Marie-Anne Baronin von Goldschmidt-Rothschild, geb. von Friedlaender-Fuld, Kunstgegenstände Knapp.
• D - LAB, B Rep. 025-02, Nr. 10229/59. Marie-Anne Baronin von Goldschmidt-Rothschild, geb. von Friedlaender-Fuld (*17.01.1892), 31 Rue de la Faisanderie, Paris 16 gegen das Deutsche Reich. Milly von Friedlaender-Fuld, geb. Fuld (Mutter), verwitwet. Hausrat.- Kaufpreisforderung.
• D - LAB, B Rep. 025-02, Nr. 10230/59. Marie-Anne Baronin von Goldschmidt-Rothschild, geb. von Friedlaender-Fuld (*17.01.1892), 31 Rue de la Faisanderie, Paris 16 gegen das Deutsche Reich. Milly von Friedlaender-Fuld, geb. Fuld (Mutter), verwitwet. Hausrat.- Kaufpreisforderung.
• D - LAB, B Rep. 025 - 06, Nr. 2279/51 Beteiligung an der Firma Emanuel Friedländer.
• D - SMB-ZA, IV/NL Bode 1915, Friedlaender-Fuld, Fritz von
• D - SMB-ZA, IV/NL Bode 1916, Friedlaender-Fuld, Milly von
• Caroline Flick: Geschick im System. Der Kunsthändler Hans W. Lange. November 2011. S.13, FN 40 unter carolineflick.de/aufsaetze/geschick/
• Christel H. Force: Rolled Canvases Across Borders. The Collection of Marianne de Goldschmidt-Rothschild. Unter doi.org/10.11588/artdok.00007517.
• Kunstversteigerungshaus Hugo Helbing: Sammlung eines Rheinischen Großindustriellen. Frankfurter und Berliner Kunstbesitz (Katalog Nr. 48). Auktion vom 11. - 13.05.1936. Frankfurt 1936.
• Van Marle en Bignell: Zeer belangrijke Kunstveiling waarbij Collectie Mevr. Milly A. von Friedländer Fuld. Catalogus van een belangrijke verzameling zeer kostbare antiquiteiten: w.o. verschillende uiterst zeldzame gouden doozen. Perzische e.a. tapijten, alsmede een nerz pelsjas. Auktion vom 20.10.1941. Den Haag 1941
• NL - HaNA, 2.08.42, Stichting Nederlands Kunstbezit (SNK), 144, 145, 234, 337, 363, 401, 580, 594, 618, 619, 630, 635, 673-676, 703, 944, 1041.
• NL - HaNA, 2.09.16.04, Nederlands Beheersinstituut, 78103 Friedlander-Fuld, M.A., Amsterdam
• US - NARA, RG 260, M1946, Ardelia Hall Collection, Munich Administrative Records, Roll 46, Restitution Claim Records, Jewish Claims, Numbered 0004-0014, J 009 Friedlaender-Fuld (Akte fehlt)
• www.restitutiecommissie.nl/en/recommendations/recommendation_126.html
Esther Sabelus